Wie bringt man Europa den Bürgerinnen und Bürgern näher?

Das EUROPE-DIRECT-Netzwerk in Deutschland
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Die Fragen stellte Marcus Klein.

In Deutschland – ebenso wie in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und sogar darüber hinaus – bietet das EUROPE-DIRECT-Netzwerk Informationen zur EU sowie Unterstützung bei Fragen zu ihren Programmen und Maßnahmen. Neben den EUROPE-DIRECT-Zentren – klassischen Informationszentren in zurzeit 50 Städten in ganz Deutschland – und den Europäischen Dokumentationszentren (momentan 27) – zählt dazu das Speakers-Pool Team EUROPE DIRECT. Eines ihrer rund 60 ehrenamtlichen Mitglieder ist Martin Mödder. Im Interview ordnet er die Bedeutung von Erasmus+ und von Austausch allgemein für die europäische Idee ein. 

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Martin Mödder setzt sich als europabegeisterter Redner auf vielfältige Weise für Europa ein. Er beantwortet täglich im Europa-Punkt Bonn Bürgerfragen und hält als Mitglied des Speakers-Pools Team EUROPE DIRECT Vorträge und Workshops

Herr Mödder, wie kann man sich Ihre Aufgabe als Mitglied des Teams EUROPE DIRECT in Deutschland vorstellen?

Martin Mödder: Dem Speakers-Pool gehören unabhängige EU-Experten und -Expertinnen an, die im Auftrag der Europäischen Kommission unterschiedliche europäische Themen auf verständliche Weise erklären, sei es im Rahmen von Vorträgen, in Workshops, als Moderation oder bei Podiumsdiskussionen. Jeder von uns hat seine eigenen Fachgebiete. Meine Schwerpunkte liegen beispielsweise auf der EU-Integration, Klimapolitik, Föderalismus und partizipativen Methoden. Wir erhalten aber auch regelmäßig Fortbildungen und Hintergrundinformationen von der Europäischen Kommission. 

Mit meinen Workshops oder Vorträgen werde ich zum Beispiel von Schulen, Vereinen, EUROPE-DIRECT-Informationszentren, den Volkshochschulen, aber auch Städten, Universitäten, Fachschaften oder Ministerien angefragt. Die Art und Weise der politischen Bildung kann also ganz unterschiedlich sein.

Wo liegt der Fokus Ihrer Tätigkeit als Redner?

Auf der Wissensvermittlung für junge Menschen. Ich versuche dabei, mich didaktisch stets an die Zielgruppe anzupassen, um sie so mit ansprechenden Methoden für europäische Themen zu interessieren. Es macht schließlich einen großen Unterschied, ob man zum Beispiel vor einer Schulklasse, einer Studierendengruppe oder einem Fachpublikum redet. 

Wenn es beispielsweise darum geht, wie junge Menschen von der EU profitieren, kann ich ihnen die unterschiedlichen Möglichkeiten aufzeigen, wie sie mit Erasmus+ eine Auslandserfahrung machen können – über Schulaustausche, Ausbildungsprogramme, Auslandssemester oder auch im Vereinsleben. Neben einem Gesamtüberblick weise ich außerdem auf die passenden Programme hin. Oft wissen zum Beispiel nur wenige, dass Auszubildende mit Erasmus+ einen Teil ihrer Ausbildung im EU-Ausland absolvieren können.

Einer Ihrer thematischen Schwerpunkte ist EU-Integration, wie Sie bereits erwähnt haben. Welchen Beitrag leistet Erasmus+ dazu, welchen kann das Bildungsprogramm leisten?

Ich glaube, dass man sehr oft unterschätzt, welchen Wert persönliche Erfahrungen für ein gemeinsames Verständnis von Europa haben. Die wenigsten Menschen starten ihr politisches Bewusstsein mit einer theoretischen Erkenntnis, dass die europäische Integration sinnvoll ist und weitergeführt werden soll. Das Interesse für die europäische Zusammenarbeit ergibt sich zuallererst aus eigenen praktischen Erfahrungen, sei es in einem Urlaub, einem Schulaustausch oder einem Auslandssemester. Diese Erfahrungen bilden die Grundlage für eine Wahrnehmung der EU und anderer Länder, aus denen eine proeuropäische Einstellung erwachsen kann. 

Und genau hier setzt Erasmus+ an. Das Programm ermöglicht in vielen Fällen überhaupt erst die Erfahrung, einen Blick über den Tellerrand und in andere Bildungssysteme zu werfen. Es trägt so zu einem besseren Austausch zwischen den Menschen in der EU bei.

Können Sie dazu konkrete Beispiele geben?

Ich kann das unter anderem an meiner Familie und mir verdeutlichen, möchte aber zuerst einmal mit einem großen Bild beginnen, das weithin bekannt ist, nämlich den Erasmus-Babys. 2014 hat die Europäische Kommission eine Studie veröffentlicht, wonach das Studienprogramm bereits 1 Million Erasmus-Babys hervorgebracht habe und mehr als ein Viertel der Erasmus-Studierenden während ihres Auslandsaufenthalts ihren Lebenspartner kennengelernt hätten. 

Ob es wirklich 1 Million Erasmus-Babys gibt oder es eine statistische Hochrechnung ist, sei mal dahingestellt. Was es aber sehr bildhaft zeigt, ist der Einfluss von Erasmus+ auf eine offene, vielfältige europäische Gesellschaft. Dass es eben nicht nur darum geht, einzelnen Personen Gelegenheit zu einer Auslandserfahrung zu bieten, sondern dies einen sehr viel größeren Einfluss auf die Menschen in Europa hat, als man glauben mag.

Und das persönliche Beispiel?

Mein Großvater ist im Zweiten Weltkrieg in französische Kriegsgefangenschaft geraten. In dieser Zeit hat er jedoch die Menschen Frankreichs und das Land kennen und lieben gelernt. Diese Frankophilie hat er an seine Kinder weitergegeben und mein Vater wiederum an uns. Für mich war Frankreich stets ein nahes Land, noch weit, ehe ich mich für EU-Politik interessiert habe. Daraus entstand mein Interesse für Europa; ich habe unter anderem in Maastricht European Studies studiert. 

Ich denke, dass die meisten Menschen, die ein anderes europäisches Land und die Menschen in jungen Jahren kennenlernen, ob privat oder durch eine der Erasmus+ Auslandserfahrungen, das gemeinsame Projekt Europäische Union sehr viel stärker schätzen und einer gemeinsamen europäischen Integration sehr viel offener gegenüberstehen als ohne diese Erlebnisse. Genau das versuche ich jungen Menschen in meinen Vorträgen auch nahezubringen. Und daher ist es so wichtig, mit Erasmus+ diese Erfahrungen weiterhin möglichst vielen Menschen zu eröffnen.

Die Fragen stellte Marcus Klein. 

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