Das Inklusionsversprechen von Erasmus+

Ein Check-up von Achim Meyer auf der Heyde
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Im Mitte 2020 erschienenen DAADeuroletter 69 schrieb Achim Meyer auf der Heyde in der Rubrik der gastkommentar unter dem Titel «Wer soziale Inklusion will, muss gegen soziale Schieflagen angehen» über die aus seiner Sicht notwendigen Änderungen, damit die neue Programmphase von Erasmus+ noch inklusiver werden würden. Ist das in ausreichendem Maße geschehen? Der ehemalige Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks bejaht diese Frage, mahnt aber auch eine kritische Begleitung und Überprüfung der Maßnahmen an.

Nach 4 Semestern Pandemie gab es an den Hochschulen im Sommersemester 2022 wieder flächendeckend Präsenzveranstaltungen. Studierende konnten so – teils zum ersten Mal – erfahren, was es bedeutet, ein «normales» Studium zu absolvieren. Dazu zählt unter anderem die Aneignung interkultureller Kompetenzen, für die viele in der Zeit des durchgängigen, eher isolierten Onlinelernens kaum die Möglichkeit gehabt hatten. 

Auslandserfahrung ist wichtig

Zum Studium gehören heute jedoch ebenso Auslandsaufenthalte, die Sprachpraxis, das Kennenlernen der Kulturen, der Studien- und Lehrangebote sowie generell Erfahrungen in anderen Ländern. Das Angebot einer «Internationalisation at home» kann die dringend erforderliche sinnliche Erfahrung meines Erachtens leider nur unzureichend vermitteln. Dieses Manko gilt es für alle Studierenden schnellstens auszugleichen, zumal die Pandemie zusätzlich vielen Schulabsolventinnen und -absolventen die Realisierung geplanter Auslandsaufenthalte eher verunmöglicht haben dürfte, sodass man von einem Internationalitätsdefizit sprechen kann.

Porträtbild von Achim Meyer auf der Heyde, ehemaliger Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks
© Kay Herschelmann

Achim Meyer auf der Heyde war von Oktober 2003 bis Ende September 2021 Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks. 

Erasmus+ ist gefordert

Für Erasmus+ heißt das konkret, dass mit seiner Hilfe die Auslandsaufenthalte auch für die Studierenden zugänglich gemacht werden müssen, die bislang eher nicht davon profitierten. Auslandsaufenthalte sind vorwiegend herkunftsabhängig, wie die Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks seit Jahren dokumentieren. Es sind vor allem finanzielle und soziale Barrieren, die Studierende aus bildungsferneren oder einkommensschwächeren Elternhäusern von so einem Schritt abhalten. Und Studierenden mit Beeinträchtigung wird oft die Finanzierung notwendiger Assistenzleistungen verweigert.

Eine erste vorläufige Bewertung

Stellen wir die Maßnahmen von Erasmus+, die der erweiterten Förderung von Inklusion und Vielfalt dienen sollen, daher auf den Prüfstand: Die Erhöhung der Stipendienraten ist ein richtiger Schritt. Fraglich bleibt aber, ob sie angesichts der hohen Inflation reichen werden. Dies gilt auch für die grundsätzlich attraktive pauschalierte Zusatzförderung für in der Vergangenheit eher mobilitätsferne Zielgruppen. Die neuen (verkürzten) Mobilitätsformate können Interesse wecken und ein Reinschnuppern erlauben. 

Hilfreich kann sich für einzelne Studierende ebenfalls die individuelle Reisekostenförderung darstellen, wobei der Nachweis der Behinderung beziehungsweise der chronischen Krankheit unbürokratisch erfolgen sollte, sonst dürften sich die schlechten Erfahrungen vieler Studierender mit Beeinträchtigungen bei der Gewährung von Nachteilsausgleichen wiederholen. Und zur Hälfte der Förderphase sollte evaluiert werden, ob das Inklusionsversprechen gehalten wird beziehungsweise gegebenenfalls nachjustiert werden muss. 

Siehe auch Gastkommentar von Katja Urbatsch (arbeiterkind.de