Kreis potenziell Geförderter deutlich ausgebaut

Erweiterte finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten im Erasmus+ Programm
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Neue Zielgruppen und Förderoptionen

Die größeren finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten im Erasmus+ Programm haben wir zum Anlass genommen, die Zielgruppen derjenigen auszuweiten, die aufgrund geringerer Chancen durch monatliche Aufstockungsbeträge oder Realkosten besondere finanzielle Förderung erhalten. Seit dem Aufruf 2022 werden daher zum einen neben Studierenden mit Behinderung oder chronischer Erkrankung und Studierenden mit Kind(ern) im Ausland auch erwerbstätige Studierende sowie Studierende aus einem nicht akademischen Elternhaus über monatliche Aufstockungsbeträge gefördert. Zum anderen können Studierende mit Kind(ern) darüber hinaus neuerdings die Förderung über Realkosten beantragen.

Unbürokratische Anträge

Bei der Umsetzung der Maßnahmen ist die Wahrung der Balance zwischen einfachem Zugang zu den Möglichkeiten für Teilnehmende, geringem administrativem Aufwand für Hochschulen und verantwortungsvollem Umgang mit Fördermitteln nicht immer einfach. Für den Erhalt der Aufstockungsbeträge haben wir uns dazu entschlossen, die ehrenwörtliche Erklärung als Nachweis der Förderfähigkeit einzuführen. Weitere Nachweise sind nur auf Nachfrage der Hochschule vorzulegen. Durch dieses vereinfachte Nachweisverfahren möchten wir die Nutzung der Angebote gleichzeitig niedrigschwellig für Studierende und mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand für die Hochschulen gestalten. 

Die Beantragung von und der Nachweis über real entstandene Kosten für Geförderte bedarf aufgrund der hohen Fördersummen eines etwas umfänglicheren Verfahrens. Dies hängt mit 2 Faktoren zusammen: der möglichst genauen Kalkulation der Kosten, um Hochschulen mit den entsprechenden Mitteln auszustatten und Rückzahlungen Geförderter zu vermeiden, sowie mit der Nachweispflicht entstandener Kosten. Hinzu kommt, dass jede Anfrage einen Einzelfall darstellt. Der Prozess von der Beantragung über die Prüfung bis hin zur Abrechnung muss daher den vielfältigen Bedürfnissen der Antragstellenden gerecht werden. Vor diesem Hintergrund war unser Ziel, ein möglichst offenes und zugleich strukturiertes Antragsverfahren zu entwickeln. 

Verbesserte Information für noch mehr Anträge

Da wir mit den erweiterten Maßnahmen einen nun deutlich größeren Kreis potenzieller Geförderter ansprechen, ist eine Anleitung zur Antragstellung für Studierende erstellt worden. Im Laufe des Jahres 2023 beabsichtigen wir, die Antragstellung in unseren Beratungsformaten für Erasmus+ Koordinatorinnen und Koordinatoren aufzugreifen.  

Erste Anträge von Studierenden, die mit Kind(ern) ins Ausland gehen, haben bereits gezeigt, dass ein hoher Bedarf besteht. Wir freuen uns sehr, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen an den Hochschulen nun noch mehr Studierenden und Hochschulmitarbeitenden einen Auslandsaufenthalt ermöglichen zu können!

Kontakt:
Frauke Stebner
EU02 – Soziale Teilhabe

Grundstipendienraten Projekt 2022 je nach Zielland:

490 / 540 / 600 EUR pro Monat

Top-up für Studierende mit geringeren Chancen (in Deutschland Personen aus nicht akademischem Elternhaus, erwerbstätige Studierende, Studierende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung sowie Studierende mit Kin[dern]):

250 EUR + Grundstipendienrate 

Top-up Auslandspraktikum:

150 EUR + Grundstipendienrate + ggf. Top-up geringere Chancen

Maximalförderung je Zielland:

  • 490 EUR + 250 EUR + 150 EUR = 890 EUR / Monat
  • 540 EUR + 250 EUR + 150 EUR = 940 EUR / Monat
  • 600 EUR + 250 EUR + 150 EUR = 1.000 EUR / Monat

Realkostenabrechnung:

Studierende und Hochschulmitarbeitende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung und solche, die ihren Auslandsaufenthalt mit Kind(ern) durchführen, können bis zu 15.000 EUR pro Semester bzw. Mobilität für real entstandene auslandsbedingte Mehrkosten für einen Auslandsaufenthalt oder eine vorbereitende Reise erhalten.

Eine kleine Gruppe von gezeichneten Personen, die mithilfe einer Leiter in Zusammenarbeit, große Puzzleteile zu einem Ganzen zusammensetzen

Jada-Janay Simmons

Auslandserfahrung zählt mittlerweile neben ersten Einsichten in die berufliche Praxis zu den wichtigen Erfahrungen, die abseits eines abgeschlossenen Studiums bei Berufseinstieg vielerorts nachgefragt werden – insbesondere dann, wenn man das Ziel hat, bei einem international orientierten Arbeitgeber tätig zu werden. Aus diesem Grund entschied ich mich, im Rahmen meines M. A.-Studiums der Sozialwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum ein Auslandssemester an der Uniwersytet Wrocławski in Polen zu machen. Ich erhoffe mir darüber hinaus, neue Kontakte zu Menschen anderer Herkunft knüpfen, fremde Perspektiven kennenlernen, am kulturellen Austausch teilnehmen sowie mich in dieser ungewohnten Situation persönlich weiterentwickeln zu können. 

Dabei spielte die Finanzierung von Beginn der Planung an eine zentrale Rolle, da der Umfang familiärer Unterstützung zuzüglich des regulären Erasmus+ Stipendiums für das Leben im Ausland etwas zu knapp und meine Polnisch-Kenntnisse für einen Nebenjob in Breslau nicht ausreichend gewesen wären. Dementsprechend war die Erasmus+ Sonderförderung für Erstakademikerinnen ausschlaggebend, um mir die Erfahrung eines Auslandssemesters (Oktober 2022 bis Februar 2023) finanziell zu ermöglichen. Dass sie mit einem Formular und schnellen Rückmeldungen im Falle von Nachfragen auch einfach zu beantragen war, machte es umso leichter.

 

Elisabeth Herzog

Das Erasmusjahr an der University of Bristol im Vereinigten Königreich ist für mich definitiv eines der Highlights meines Studiums. Die Begeisterung der Dozenten in den Vorlesungen ist ansteckend, der Austausch mit den anderen Studierenden spannend und die vielen Eindrücke dieser Stadt machen jeden Tag zu einem Erlebnis. 

Die Planung meines Aufenthalts in Bristol mit zwei Kindern (1 und 4 Jahre alt) stellte mich emotional, organisatorisch und finanziell vor viele Herausforderungen, besonders in Bezug auf Unterkunft und Kinderbetreuung. Es hat schlussendlich geklappt – dank der Unterstützung der Mitarbeitenden des Mobilityteams der Friedrich-Albert-Universität Erlangen-Nürnberg –, doch würde ich mir eine noch bessere Kommunikation der Fördermöglichkeiten wünschen.

Bei allen Schwierigkeiten, die ein Auslandsaufenthalt mit sich bringt, möchte ich anderen Studierenden mit Kindern Mut machen, diesen Schritt zu wagen.
Elisabeth Herzog

Bei allen Schwierigkeiten, die ein Auslandsaufenthalt mit sich bringt, möchte ich anderen Studierenden mit Kindern Mut machen, diesen Schritt zu wagen. Ich bin dankbar für das Erasmus+ Stipendium und die Sonderförderung für Studierende mit Kindern, die mir zusammen finanzielle Sicherheit verschaffen, und freue mich auf die vielen Erfahrungen, die ich von diesen gut 10 Monaten von September 2022 bis Juni 2023 für mich und mein Studium Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik im Bachelor mitnehmen ­werde. 

Gespräch mit Elisabeth Herzog
Frau mit Kinderwagen beim Hineingehen in ein Büro, in dem ein Mann am Schreibtisch sitzt
© Christian Hüller/NA DAAD

Jana Reh

Der Erasmus+ Aufenthalt war eine einzigartige Gelegenheit, um einen Teil meines Studiums im Ausland zu verbringen. Somit konnte in mein technisches Studium – ich studiere Materialwissenschaft und Werkstofftechnik im Master an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg – ein sprachlicher Aspekt eingebaut werden, der ansonsten nicht möglich gewesen wäre. Neben der hilfreichen Unterstützung an meiner Heimatuniversität kümmerte sich auch die Gastuniversität Aix-Marseille in Frankreich wunderbar um alle ausländischen Studenten. Hierbei standen stets diverse Ansprechpartner zur Verfügung, die sich Zeit für persönliche Gespräche nahmen. 

Der Aufwand, den man vor einem Erasmus+ Aufenthalt hat, mag so manch einen abschrecken. Jedoch kann ich mit Überzeugung sagen, dass sich dieser definitiv lohnt! Man sammelt durch das Leben im Ausland – bei mir waren es fast 6 Monate zwischen Ende Februar und Anfang Juli 2022 –nicht nur kulturelle Erfahrungen, sondern lernt außerdem zahlreiche andere Studierende aus ganz Europa kennen. 

Die Sonderförderung aufgrund meiner chronischen Erkrankung hat mir die Chance eröffnet, den Aufenthalt trotz Corona geprägter Situation durchführen zu können. Durch die allgemeine Förderung ist es überhaupt erst möglich, sich ein Semester im Ausland leisten zu können, und dabei die Zusatzkosten im Rahmen zu halten. Die anteilige Auszahlung zu Beginn des Aufenthalts ist dabei sehr hilfreich.

Veronika Wolff

Ich bin mit meinen beiden Söhnen seit Ende August 2022 für ein Auslandssemester am Blekinge Institute of Technology im schwedischen Karlskrona. Das auch auf den zweiten Blick wohl Ungewöhnliche daran: Nicht meine beiden Söhne begleiten mich, sondern ich sie. Vor allem Richard braucht mich. Er ist ein Asperger Autist und benötigt deshalb eine vertraute Person, um das Studium zu absolvieren – zur Organisation, in den Vorlesungen sowie in der häuslichen Betreuung.

Da ich alleinerziehend bin und keine weitere Unterstützung habe, ist dieser Auslandsaufenthalt für Richard, aber ebenfalls für Niclas (er ist schwerhörig und trägt ein Hörgerät) nur dank des Realkostenantrags im Rahmen von Erasmus+ möglich. Das gilt grundsätzlich, besonders aber für Schweden, einem sehr teuren Land.

Das Auslandssemester ist in mehrerer Hinsicht wichtig: für Richard, da es notwendig für den Abschluss seines Studiums an der Technischen Hochschule Brandenburg in Brandenburg an der Havel ist; für Richard und Niclas, weil es ihnen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet – mit Blick auf die Festigung der englischen Sprache in Wort und Schrift sowie die Erfahrungen beim Zusammenleben mit Menschen aus verschiedenen Nationen, Religionen und Kulturen. Die Zeit in Karlskrona fördert die Selbstständigkeit beim Leben und Erlernen von Sozialkompetenzen.

Der Weg nach Schweden war nicht einfach. Schlussendlich aber bin ich so froh, dass es so etwas wie Erasmus+ gibt.
Veronika Wolff
O-Ton Veronika und Richard Wolff
Menschen in einem Flughafenterminal