Erasmus+ an der Hochschule

Bindeglied zwischen individueller Mobilität und strategischer Veränderung
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Erasmus ist in den nunmehr 36 Jahren seines Bestehens zu einer in der Gesellschaft sehr bekannten Marke geworden. Dabei ist das Bildungsprogramm durch seine Reichweite, die Weiterentwicklung von Fördermodulen und die in der Erasmus-Charta für die Hochschulbildung formulierten Ziele zusehends für Veränderungen im Bildungsbereich verantwortlich – auch an Hochschulen, die mit der Anpassung von Organisationsstrukturen reagieren müssen. 

Bekannte Marken sind uns vertraut, wir verlassen uns auf ihre Qualität und wünschen uns Kontinuität. Ihre Reichweite macht es gleichzeitig möglich, Veränderungen auf den Weg zu bringen, die im Fahrwasser des Kernelements Weiterentwicklungen auch in anderen Bereichen antreiben. So hat sich Erasmus seit 1987 von einem Austauschprogramm für Studierende durch die Aufnahme einer Vielzahl von Fördermöglichkeiten zu einem Motor der Internationalisierung entwickelt. 

Erasmus-Charta für die Hochschulbildung 2021-2027.pdf

Anmeldung bei der Erasmus+ Jahrestagung 2023 an der OVGU Magdeburg mit Erasmus+ Roll-Up im Vordergrund rechts und Kolleginnen und Kollegen der NA DAAD im Hintergrund links.
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Die ECHE – Grundlage der Weiterentwicklung und des Commitments der Hochschulleitungen

Alle 7 Jahre wird die Erasmus Charter for Higher Education (ECHE) durch Hochschulleitungen neu beantragt. Alle Einrichtungen bekennen sich dazu, ihren Beitrag zu den in ihr festgelegten gemeinsamen europäischen Zielen zu leisten. 2021 sind in der individuellen Mobilität nicht nur die Kurzzeitmobilität, globaler, internationaler Austausch und gemischte virtuelle Formate in die Fördermöglichkeiten aufgenommen worden. Auch die Blended Intensive Programmes, die Digitalisierung der Programmverwaltung, Inklusionsförderung und nachhaltiges Handeln gehören seitdem zum Spektrum der Themen, die International Offices mit ihren Erasmus-Koordinatorinnen und -Koordinatoren in der Hochschule aufgreifen. 

Damit sind International Offices das Tor der Hochschule zum Erasmus-Programm, Bindeglied zu verschiedensten Einrichtungen und Interessenvertretungen ihrer Hochschulen, Programmverwalterinnen und mit großem Verantwortungs- und Fürsorgebewusstsein für mehr als 50.000 Geförderte im Jahr Ansprechpartnerinnen. Erasmus-Koordinatoren üben somit den Spagat zwischen individueller Betreuung von Geförderten, Verwaltung des Programms und Vermittlung der wichtigen horizontalen Themen in die Hochschule. 

Eine Marke verändert sich

Noch immer ist die Mobilität für Studienaufenthalte im weiteren europäischen Ausland der Kern des Programms. Darüber hinaus wurden in den letzten Programmgenerationen – in den Jahren 2007–2020 – Auslandspraktika und die Förderung von Hochschulpersonal in das Portfolio aufgenommen. Diese eher bedächtigen Änderungen sowie eine moderate Digitalisierung der Verwaltung ließen eine zeitlich angemessene Anpassung der Verwaltungsstrukturen zu.

Mit dem Wechsel zur laufenden Programmgeneration im Jahr 2021 wurden parallel zur fortschreitenden Digitalisierung und Umstellung auf neue Verwaltungsdatenbanken erstmals vielfältige adaptierte Angebote aufgenommen und Ziele formuliert. Die Herausforderung besteht nun darin, diese Veränderung einer Marke sichtbar zu machen. Erasmus-Mobilität ist – besonders in der Verwaltung – eben nicht mehr «nur» die Vorbereitung, Betreuung und Nachbereitung von Studierendenaufenthalten. 

International Offices können der veränderten Rolle allein dann in vollem Umfang gerecht werden, wenn die Verwaltungsstrukturen in einem angemessenen Zeitraum den veränderten – auch administrativen – Bedingungen des Programms folgen. Als NA DAAD unterstützen wir diesen Prozess zusammen mit den Erasmus+ Expertinnen und Experten als Ansprechpartner, bieten Möglichkeiten des Erfahrungsaustauschs im Rahmen regelmäßiger virtueller und Vor-Ort-Veranstaltungen und fungieren als Schnittstelle zur EU-Kommission.

Angemessene Verwaltungsstrukturen

Regelmäßiger Austausch – zuletzt bei der Erasmus+ Jahrestagung in Magdeburg im September 2023 – und eine aktuelle Umfrage zur Verwendung der für die Organisation von individueller Erasmus-Mobilität gewährten Mittel (Organisational Support, OS) zeigen, dass die Anpassung an das aktuelle Angebot des Programms kurz vor seiner Halbzeit noch ausbaufähig ist. Die Ergebnisse belegen aber auch, dass die Weiterentwicklung des Programms mit Bedacht erfolgen sollte.

Aus den besonders von kleineren und mittleren sowie Kunst- und Musikhochschulen (60 Prozent) stammenden Rückmeldungen geht hervor, dass OS überwiegend für die Betreuung von Geförderten genutzt wird (für Personal ist das in der Regel nicht möglich). Für das Management der Projekte werden geschätzt 70 Prozent der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit aufgewendet, lediglich knapp 30 Prozent stehen für die Kernelemente des Programms – Betreuung, Pflege der Hochschulpartnerschaften und Marketing – zur Verfügung. Besonders bemerkenswert ist, dass 82 Prozent der Befragten angeben, in ihren International Offices die Erasmus-Mobilität mit 3 oder weniger Vollzeitäquivalenten zu organisieren. 

Die begrüßenswerte neue Vielfalt der Möglichkeiten zieht also eine komplexere und arbeitsintensive Verwaltung nach sich, die sich (noch) nicht flächendeckend in den entsprechenden Strukturen wiederfindet. Umso beachtlicher ist, dass schon über Jahre hinweg die Geförderten ihre große Zufriedenheit (96 Prozent) mit der Betreuung, Begleitung und Organisation durch ihre Hochschulen bescheinigen, was den großen Enthusiasmus der Programmbeteiligten belegt.

Verteilung der Arbeitszeit bei Erasmus+

Arbeitszeit für Marketing, Betreuung und Partnerschaftspflege = 27,77 %


Arbeitszeit für Projektverwaltung = 69,23 %

Potenziale

Die Programmgeneration 2021–2027 wartet mit vielen Veränderungen im Erasmus+ Programm auf. Die erfreuliche Ausweitung der Fördermöglichkeiten in der Mobilität und deren Anerkennung sowie die Bestrebungen, Digitalisierung, Inklusion und Teilhabe ebenso wie Nachhaltigkeit auf institutioneller Ebene voranzutreiben, haben auch das Aufgabenprofil der International Offices und der Erasmus-Koordinatoren und -Koordinatorinnen verändert. 

Während der Erasmus+ Jahrestagung wurden die aktuellen Bedingungen für die Programmdurchführung, die Komplexität der Programmverwaltung mit Koordinatorinnen, Hochschulleitungen, Europäischer Kommission und Nationaler Agentur besprochen. Wie auch erste Befragungen zur Halbzeitevaluierung zeigen, sollte bei der Weiterentwicklung der Marke «Erasmus+» der Fokus nicht nur auf den (finanziellen) Möglichkeiten für Geförderte liegen; die Veränderungen sollten mit Bedacht und Vorlauf unter Einbeziehung derer, die das Programm bisher zu einem Erfolg gemacht haben, eingeführt werden und handhabbar sein. Wie schon für diese Programmgeneration angekündigt, wird eine Evolution und keine Revolution entscheiden über den weiteren Erfolg von Erasmus.

Kontakt:
Agnes Schulze-von Laszewski
EU02 – Mobilität von Einzelpersonen
Agnes Schulze-von Laszewski, NA DAAD EU02 – Mobilität von Einzelpersonen