«Europa (und die Welt) erfahrbar machen»

Der «Europa macht Schule»-Standort Hamburg
Lesezeit: 8 min

Hamburg zählt mit zu den ältesten Standorten von «Europa macht Schule». Bereits seit dem Programmjahr 2007/08 ist das 2006 gestartete Programm in Deutschlands zweitgrößter Stadt mit ihrer vielfältigen Hochschullandschaft mit kurzen Unterbrechungen aktiv. Dabei war Hamburg auch Pionier, als es darum ging, die ursprünglich auf die Begegnung unter Europäerinnen und Europäern ausgerichtete Initiative gegenüber der Welt zu öffnen: Seit 2018 führen hier – wie an einigen anderen Standorten – neben europäischen ebenso Studierende aus außereuropäischen Staaten Projekte durch.

Eine kurze Bestandsaufnahme

«Die Entwicklung der letzten Jahre ist wirklich erfreulich. Das kann man definitiv so sagen». Man merkt Leonie Frey ein wenig Stolz und eine gewisse Zufriedenheit an. Über 30 Projekte seien in nur 4 Programmjahren bis 2021/22 durchgeführt worden, und damit mehr als in den 10 Jahren seit dem Start von «Europa macht Schule» in Hamburg 2007/08, erläutert die Studentin, die an der Universität Hamburg einen interdisziplinären Master in Public und Nonprofit Studien absolviert. Gemeinsam mit dem Physikstudenten Hauke Damerow von der Universität Hamburg zeichnet sie für die Standortkoordination in Hamburg verantwortlich.

Das sei keineswegs zu erwarten gewesen, ergänzt Damerow, der dem Standort-Team seit 2018 angehört und damit dessen dienstältestes Mitglied ist. Mitte der 2010er-Jahre war das Programm in Hamburg leicht abgeschwächt; das lasse sich an der Anzahl der durchgeführten Projekte, der projektlosen Zeit in den Programmjahren 2014/15 und 2016/17 und ebenso der Tatsache festmachen, dass das Standort-Team 2017/18 gerade einmal 1 Mitglied hatte. Das gehöre aber, so versichert er, der Vergangenheit an. «Europa macht Schule» (EmS) sei in Hamburg – wieder – gut aufgestellt; daran habe auch die Coronapandemie, die wie an anderen Standorten zu einem Rückgang an Projekten geführt habe, grundsätzlich nichts geändert.

Foto des EmS Hamburg Teams
Zum Aktivieren des Videos klicken Sie bitte auf das Vorschaubild. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass nach der Aktivierung Daten an den jeweiligen Anbieter übermittelt werden.

Überschaubarer zeitlicher Aufwand

Das A und O für eine erfolgreiche Arbeit sei, da zeigen sich Frey und Damerow einig, ein engagiertes Standort-Team, dem in Hamburg momentan noch Antonia Steinweg (Doktorandin der Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School) und Anahit Mikayelyan (BWL-Studium an der Universität Hamburg) angehören. Es braucht Interesse an Kontakten mit Studierenden aus Europa und aus der ganzen Welt, außerdem Freude an interkulturellem Austausch – und ein wenig Zeit für das ehrenamtliche Engagement. Zu Beginn eines Programmjahres im Oktober und November können das pro Teammitglied schon einmal 4 Stunden die Woche sein, die für die Werbung von internationalen Studierenden und neuen Ehrenamtlichen aufgewendet werden müssen. Auch die Organisation der Auftaktveranstaltung, des sogenannten Koordinationstreffens, Anfang Dezember sei aufwendig, erläutern Frey und Damerow. Die folgenden Monate seien hingegen wieder ruhiger, da hier die internationalen Studierenden mit den Lehrkräften selbstständig ihr Projekt planen. 

«Etwas mehr Zeit verwenden wir dann wieder gegen Ende des Programmjahres, das heißt in der Zeit von März bis Mai. Hier müssen sowohl die Projektberichte eingefordert und überprüft wie auch die Aufwandsentschädigung beim DAAD beantragt und an die Studierenden ausbezahlt werden. Außerdem muss die Abschlussveranstaltung geplant und durchgeführt werden. Da geht es von der Organisation eines Raums und die Abfrage der Teilnahme über die Vorbereitung des Programms und die Einladung externer Rednerinnen und Redner bis hin zur Verpflegung», erklärt Frey.

Werben für das Programm

Bei der Werbung für «Europa macht Schule» greift das Hamburger Standort-Team ebenso wie seine Kolleginnen und Kollegen in anderen Städten auf die ganze Bandbreite an Kommunikationsmöglichkeiten zurück. Studierende werden beispielsweise in Deutsch- und Sprachkursen, über die Allgemeinen Studierendenausschüsse der Hamburger Hochschulen (AStAs), PIASTA (ein Angebot der Abteilung Internationales der Universität Hamburg), die International Offices an den Hochschulen und gleichfalls Plakate und Flyer angeworben. Bei neuen Standortmitgliedern wird in Hamburg zudem auf Beiträge in WhatsApp-Gruppen, Anzeigen auf Ehrenamtsbörsen und Jobportalen gesetzt.

Um die Ansprache der Schulen muss sich das Standort-Team hingegen nicht kümmern. Diese Aufgabe übernimmt das für die Administration des Programms zuständige Team «Studentisches Engagement für Europa» im Referat EU05 «Kommunikation und studentisches Engagement» der Nationalen Agentur für Erasmus+ Hochschulzusammenarbeit im DAAD in Zusammenarbeit mit dem Pädagogischen Austauschdienst (PAD). Zu Beginn eines Programmjahres versendet der PAD in Rücksprache mit der NA an Schulen in den jeweiligen Städten einen Hinweis zur Anmeldung. Daraufhin melden sich die Lehrkräfte selbstständig auf der Plattform an. «Unsere Kommunikation mit den Schulen läuft in weiterer Folge nur über die teilnehmenden Lehrkräfte», so Damerow. «Diese betreuen wir im Laufe des Programmjahres und stehen bei Fragen und Problemen zur Verfügung. Einige Lehrkräfte machen schon seit vielen Jahren bei ‹Europa macht Schule› mit, manche waren sogar selbst schon als Ehrenamtliche bei EmS aktiv.»

Ausgewählte Projekte des Standort-Teams Hamburg

Projektjahr: 2018/19, Land: Norwegen, Thema: Spielend Norwegen, Schultyp: Gemeinschaftsschule, Klasse: 6

Projektjahr: 2020/21, Land: Ägypten, Thema: Alles Ägyptisch und besonders Alexandrisch, Schultyp: Stadtteilschule, Klasse: 5

Projektjahr: 2020/21, Land: Frankreich, Thema: Frankreich begegnet Deutschland, Schultyp: Grundschule, Klasse: 4

Projektjahr: 2020/21, Land: Indien, Thema: From India to Germany: A wonderful cultural exchange, Schultyp: Gymnasium, Klasse: 7

Projektjahr: 2021/22, Land: USA, Thema: Winter holidays in the USA in comparison to Germany, Schultyp: Grund- und Stadtteilschule, Klasse: 8

Projektjahr: 2021/22, Land: Belgien, Thema: Belgien mit allen Sinnen, Schultyp: Gymnasium, Klasse: 9

Projektjahr: 2022/23, Land: Kasachstan, Thema: Kulturzwiebel Kasachstans, Schultyp: Grundschule, Klasse: 1

Ein Blick auf die Projekte

Die über die Jahre durchgeführten Projekte sind bunt und abwechslungsreich; die Studierenden thematisieren die verschiedensten landeskundlichen Aspekte, und das entsprechend den Ansprüchen des Schultypus und der Jahrgangsstufe. Mehrheitlich stammen die Studierenden aus Europa, in den letzten beiden Jahren sind es am Hamburger EmS-Standort aber ebenfalls Studentinnen und Studenten aus nicht europäischen Ländern, die seit 2017 teilnehmen dürfen.

«Erstmals war das bei uns im Programmjahr 2018/19 der Fall», erinnert sich Hauke Damerow, «meinem ersten EmS-Jahr in Hamburg. Damals meldeten sich eine ägyptische Studentin und Studierende aus China, die dann auch tatsächlich Projekte realisiert haben. Mehr noch: Die ägyptische Studentin ist in den folgenden Jahren immer wieder auf uns zugekommen. Bis inklusive 2021/22 hat sie insgesamt 6 Projekte an ganz unterschiedlichen Schulen angeboten. Das ist beeindruckend, aber – und das sollte man fairerweise ebenfalls festhalten – eher die Ausnahme als die Regel.» Die meisten führen ein EmS-Projekt durch, da die Mehrheit der teilnehmenden Studierenden nur für 1 oder 2 Semester in Deutschland ist, zum Beispiel mit Erasmus+. 

Wir verstehen uns selbst als europäische Bürgerinnen und Bürger und setzen uns für ein integratives Europa ein. Wir halten den Zusammenhalt der europäischen Länder für essenziell und wollen mit ‹Europa macht Schule› den Austausch zwischen jungen Menschen aus unterschiedlichen Ländern fördern.
Standort-Team Hamburg

Der Lohn für den Einsatz

Den Beitrag zur Verständigung zwischen fremden Kulturen, der mit «Europa macht Schule»-Projekten geleistet werden kann, betonen gleichfalls die Mitglieder des Hamburger EmS-Standort-Teams. Antonia Steinweg unterstreicht dies explizit mit Blick auf die europäische Ebene, die ja zur Gründung der Initiative geführt hat und weiterhin namensgebend ist: «Ich bin begeistert von der europäischen Idee, dem kulturellen und sprachlichen Austausch und überzeugt, dass europäische Einigung nur gelingen kann, wenn wir Europa für die junge Generation erfahrbar und greifbar machen – und das tun wir mit ‹Europa macht Schule.›»

Wichtig sei außerdem der Kontakt mit internationalen Studierenden, wie Anahit Mikayelyan stellvertretend feststellt. Andere aus Sicht des Teams relevante und ihren Einsatz lohnende Aspekte betreffen die Schülerinnen und Schüler, die aus erster Hand Informationen über ihnen in aller Regel fremde Länder erhalten und so ihren Horizont erweitern können. Und nicht zuletzt bietet das ehrenamtliche Engagement den Standortmitgliedern die Möglichkeit, Soft Skills zu erlernen, die für den weiteren Berufs- und Bildungsweg von Vorteil sind. Dazu zählen Teamarbeit, Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungsorganisation, Finanzverwaltung und Projektmanagement, ein nicht zu unterschätzender praktischer Nebeneffekt.

Ich wollte bei ‹Europa macht Schule› teilnehmen, weil ich denke, dass gerade bei Kindern die Zugehörigkeit zu Europa gestärkt werden kann, wenn sie konkrete Erfahrungen mit Leuten aus anderen europäischen Ländern machen und mit ihnen persönlich sprechen. Es ist für mich ganz wichtig, dass dieses europäische Gefühl lebendig bleibt und gelebt wird.
Corentin Rault, der im Programmjahr 2020/21 das EmS-Projekt «Frankreich begegnet Deutschland» durchgeführt hat

Mehr Unterstützung von Hochschulen als Wunsch

Nach der besseren und weitergehenden Unterstützung ihrer freiwilligen Arbeit gefragt, nennt das Hamburger Standort-Team 3 Bereiche. Das ist erstens die Kommunikation ihrer Tätigkeit gegenüber Studierenden, die mit Erasmus+ an Hamburger Hochschulen sind. «Es wäre schön», sagt Leonie Frey, «wenn Incomings gleich zu Beginn ihres Aufenthalts auf ‹Europa macht Schule› und unser Team aufmerksam gemacht werden könnten. Dadurch würde sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass noch mehr spannende Projekte entstehen.» Das wäre gut für EmS, aber ebenso die Hochschulen, ergänzt sie. «Die würden nämlich ihren Studierenden eine Chance eröffnen, jenseits des Studiums Kontakte zu knüpfen, Erfahrungen zu machen und mit Projekten an Schulen vielleicht sogar ihre Deutschkenntnisse zu verbessern.»

Zweitens «wäre es begrüßenswert, wenn die Universität Hamburg – oder eine andere Hochschule – uns leichteren Zugang zu Uniräumlichkeiten gewähren oder gar einen Raum zur Verfügung stellen würde, in dem wir uns treffen oder zumindest unsere Auftakt- und Abschlussveranstaltung abhalten können», erklärt Hauke Damerow. «Oft haben wir bei der Raumsuche große Schwierigkeiten, da wir keine offizielle Hochschulgruppe sind und daher nur in Ausnahmefällen einen Raum in einer Hochschule erhalten. Hier ist eine Anregung an die Hochschulen, die Raumvergabe auf alle studentischen Initiativen zu erweitern.» 

Schließlich – und das ist ein dritter, eher allgemeiner Aspekt, der über Hamburg hinausgeht – könnten Ehrenämter von den Hochschulen und der Politik grundsätzlich stärker gefördert werden, zum Beispiel mit der Möglichkeit, ein paar Creditpoints zu erhalten, oder einem Extrasemester zusätzlich zur Regelstudienzeit beim BAföG. Durch diese verhältnismäßig kleinen Unterstützungsangebote könnte nicht nur ehrenamtliches Engagement gefördert, sondern auch ein niedrigschwelliges Angebot des internationalen Austauschs, zum Beispiel in Ergänzung zu Mobilitäten, an Hochschulen verankert werden. Dadurch gewännen beide Seiten: Studierende und Hochschulen.

Inselbucht mit Lagunencharakter. Glasklares Wasser schillert türkis an einem einsamen Strand bei wolkenlosem Himmel.
© Artemis Katsadoura, CC BY-SA 4.0

«Europa macht Schule» im Unterricht. Ein Projektbeispiel

«Kultur und Tradition in Griechenland», so lautete ein eher landeskundlich anmutendes Thema, dem die Griechin Chrysoula Perathoraki aber doch eine gesellschaftspolitische Komponente gab. Die Schüler und Schülerinnen einer 6. Gymnasialklasse konnten Europa in dem Projekt einmal aus dem Blickwinkel einer anderen Nationalität und nicht aus der eigenen touristischen Perspektive entdecken. «Chrysoula hat uns von ihrer Heimat erzählt, was wir noch nicht wussten», resümiert eine Schülerin des Würzburger Dag-Hammarskjöld-Gymnasiums auf der Website der Schule. 

Für die Studentin der Germanistik und Anglistik, die in Athen zu Hause ist, aber ursprünglich von der Kreta vorgelagerten Insel Gavdos stammt, war die Unterrichtseinheit mit sehr jungen Schülerinnen und Schülern eine persönliche Herausforderung. «Es brachte aber auch ausgesprochen positive Erfahrungen für mich mit, da ich so die Möglichkeit hatte, etwas Neues zu lernen und Ideen und Methoden für diese Altersgruppe zu entwickeln.» 

Eine Win-win-Situation, in der dank «Europa macht Schule» die EU für alle Beteiligten real ein Stück näher zusammengerückt ist. Und das sogar sprachlich: Ein Exkurs über das griechische Alphabet wurde zu entdeckendem Lernen beim Schreiben des eigenen Namens in griechischen Buchstaben. Und natürlich gab es auch noch einen kleinen Einblick in die griechische Mythologie mit Odysseus, der auf Gavdos der Meernymphe Kalypso begegnete. Die von Chrysoula präsentierten Fotos eröffneten schließlich doch noch einen touristischen Blick auf die Insel am südlichsten Ende Europas und der Europäischen Union.

Lutz Cleeves

Autor: Marcus Klein