Gruppenfoto beim LEI-Jahrestreffen 2022 in Münster vor einem Uni-Gebäude. Alle lächeln gut gelaunt und fröhlich in die Kamera.
© Markus Thomanek/NA DAAD

Studentisches Engagement und Teilhabe

Eine Einführung
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Die Stärkung der europäischen Identität und die Förderung der aktiven Beteiligung des Einzelnen sowie der Zivilgesellschaft an demokratischen Prozessen sind entscheidend für die Zukunft der EU. Das laufende Erasmus+ Programm (2021–2027) soll im Rahmen der horizontalen Priorität «Teilhabe am demokratischen Leben» dazu beitragen, das Interesse der Menschen für die EU zu steigern und ihr Wissen darüber zu erweitern. Eine wesentliche Rolle spielt dabei auch das (ehrenamtliche) Engagement von Studierenden.

Zur Bedeutung von Hochschulen und Studierenden für Demokratie und Gesellschaft

Die gesellschaftliche Rolle von Hochschulen ist allgemein anerkannt und oftmals betont worden, so beispielsweise von der Europäischen Kommission in ihrer im Januar 2022 vorgelegten Europäischen Hochschulstrategie. Gleichermaßen gut belegt ist die grundsätzliche Bereitschaft Studierender, sich einzubringen und aktiv zu werden. Zahlreiche Untersuchungen, zuletzt die vom Erasmus Student Network (ESN) ebenfalls 2022 veröffentlichte Studie Understanding the Experience & Needs of Exchange Students in Challenging Times, bestätigen das: Mehr als die Hälfte der befragten Studierenden (aus verschiedenen europäischen Ländern) äußerte die Bereitschaft, sich im Nachgang zu ihrem Auslandsaufenthalt auch für andere Incomings beziehungsweise Outgoings zu engagieren. Sie wünschten sich dafür Informationsangebote und Unterstützung für etwaige Engagements sowie eine offizielle Anerkennung, zum Beispiel über eine Erwähnung im Learning Agreement oder zumindest im Abschlusszeugnis.

Womit wir wieder bei den Hochschulen wären. Studentisches Engagement betrifft nicht nur Studierende, sondern eben auch die Hochschulen, die das Thema gezielt betrachten und in die Studierendenschaft tragen müssen. Dies nutzt schließlich nicht nur den Studentinnen und Studenten, die durch ihr Engagement wertvolle (Lebens-)Erfahrungen sammeln; es hilft gleichermaßen den Hochschulen, die ihr eigenes Profil durch die Unterstützung studentischen Engagements aufwerten können.

Hochschulen spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung von aktiver Bürgerschaft, Toleranz, Gleichheit und Vielfalt, Offenheit und kritischem Denken für mehr sozialen Zusammenhalt und soziales Vertrauen und schützen so die europäischen Demokratien. [Sie] bereiten Absolventinnen und Absolventen darauf vor, gut informierte europäische Bürgerinnen und Bürger zu werden.
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschau und den Ausschuss der Regionen über eine europäische Hochschulstrategie, Straßburg, 18.01.2022, S. 13
Symbolbild: Europa macht Schule: Studierender aus Norwegen erzählt interessierten Schülerinnen und Schülern von seiner Heimat.
© Christian Hüller/NA DAAD

Das Angebot der NA DAAD im Überblick

Die NA DAAD unterstützt studentisches Engagement über 2 niedrigschwellige Programme: die «Lokalen Erasmus+ Initiativen» (LEI) und «Europa macht Schule» (EmS) (einschließlich der Programmlinie «Back to School» [BtS]), die beide vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden. Mit diesem Angebot nimmt die NA DAAD unter den Nationalen Agenturen in der EU eine besondere Rolle ein, wenngleich in den letzten Jahren Bestrebungen zur Vernetzung dazu geführt haben, dass ähnliche Initiativen in verschiedenen Programmländern angeboten werden.

LEI und EmS bieten unterschiedliche Möglichkeiten, um zum europäischen Integrationsprozess beizutragen und das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für die Europäische Union zu schärfen. Bei den LEI handelt es sich um Hochschulgruppen, die Studierende deutscher Hochschulen rund um das Thema «Erasmus+ Auslandsaufenthalte» informieren, beraten und motivieren sowie internationale Studierende bei der Orientierung unterstützen. Im Rahmen von «Europa macht Schule» führen indes internationale Studierende gemeinsam mit einer Schulklasse in Deutschland ein Projekt über ihr Heimatland durch, während die 2021 eingeführte Programmlinie «Back to School» Studierenden deutscher Hochschulen die Chance eröffnet, an einer ihrer ehemaligen Schulen ein Projekt über ihren Auslandsaufenthalt zu realisieren. 

Programme für studentisches Engagement im Aufwind

Erfreulich ist, dass sich beide Programme ausgesprochen positiv entwickeln. Die LEI werden inzwischen seit über 30 Jahren gefördert. Gab es zum Start – 1991 – 19 LEI-Standorte, sind es 2023 bereits 123 – jährlich kommen 2 bis 3 neue Standorte hinzu. Das Programm «Europa macht Schule», das 2006 ins Leben gerufen worden ist und seit 2009 vom BMBF gefördert und in der NA DAAD koordiniert wird, kann auf eine ähnliche Entwicklung verweisen. Im ersten Programmjahr wurden 32 EmS-Projekte durchgeführt, zuletzt waren es 113, vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie sogar jährlich über 250. Mit der neuen Förderperiode ab 2021 konnte das Programm qualitativ und quantitativ ausgeweitet werden, wozu unter anderem die Einführung von «Back to School» 2022 zählt.

Die Bereitschaft des BMBF, seit Jahrzehnten nicht nur jährlich erneut Fördermittel bereitzustellen, sondern gleichzeitig mit kontinuierlichen Budgetaufwüchsen über die Jahre hinweg die positive Weiterentwicklung der Projekte mitzutragen, unterstreicht die Bedeutung, die studentischem Engagement auch von politischer Seite beigemessen wird. Ohne diese Unterstützung wäre das in dieser Form sicherlich nicht möglich gewesen.

  • Bootsfahrt auf der Spree beim LEI-Jahrestreffen 2023

    © Melis Cinar/NA DAAD
    Impressionen vom LEI-Jahrestreffen 2023 in Berlin

  • Vortrag beim LEI-Jahrestreffen 2023

    © Melis Cinar/NA DAAD
    Impressionen vom LEI-Jahrestreffen 2023 in Berlin

  • Speed-Infos beim LEI-Jahrestreffen 2023

    © Melis Cinar/NA DAAD
    Impressionen vom LEI-Jahrestreffen 2023 in Berlin

  • Gruppenbild auf dem Campus mit Europaflagge

    © Melis Cinar/NA DAAD
    Impressionen von den ErasmusDays 2021 in Münster

  • Gruppenbild vor einer Kirche in Münster

    © Melis Cinar/NA DAAD
    Impressionen von den ErasmusDays 2021 in Münster

  • Zwei Studentinnen schwingen eine Europaflagge

    © LEI Münster/NA DAAD
    Impressionen von den ErasmusDays 2021 in Münster

Hochschulen und Studierende: Hand in Hand geht es besser

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass für ein gutes Gelingen nicht nur die Studierenden verantwortlich sind – ganz zentral ist für sie die Unterstützung durch ihre jeweilige Hochschule. Dabei sind es Kleinigkeiten, die den Studierenden bereits helfen: Bewerbung der jeweiligen Programme unter den Studierenden, zum Beispiel via E-Mail-Verteiler oder bei Lehrveranstaltungen, oder die Bereitstellung von Räumlichkeiten.

Besonders die Rekrutierung neuer Mitglieder oder die Gewinnung von Teilnehmenden für Veranstaltungen beziehungsweise Projekte stellt die Studierenden regelmäßig vor Herausforderungen, weshalb die Hochschulen in diesem Bereich bereits mit wenig Einsatz viel erreichen können, vor allem bei «Europa macht Schule» und dessen Programmlinie «Back to School». Bei den LEI sind die Hochschulen ohnehin stärker eingebunden, da für die Förderung als LEI die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen International Office notwendig ist.

Die Wirkung in die Gesellschaft: Europa repräsentieren

Die LEI werden häufig als Paradebeispiel für die Etablierung einer Willkommenskultur an der eigenen Hochschule genannt, kümmern sie sich ja nicht nur um die Outgoings, sondern auch um die Incomings – und bringen dabei nicht selten beide Gruppen zusammen. Mit ihrer Arbeit unterstützen sie ganz wesentlich die International Offices und deren Ziel, Studierende für einen Auslandsaufenthalt zu gewinnen. Gleichzeitig treten sie besonders zu 2 Gelegenheiten im Jahr aus ihrem Hochschulkontext heraus und sind dann sehr sichtbar in der Gesellschaft: Im Rahmen des jährlich im Mai stattfindenden Europatages und der an 3 Tagen europaweit im Oktober durchgeführten ErasmusDays realisieren sie Aktivitäten, die sich gezielt an die breite Bevölkerung richten und so die politische Bildung im Bereich der EU fördern. 

An den Europatagen gestalten LEI-Standorte häufig Stände bei entsprechenden Aktionstagen der Hochschulen oder auch einfach in der Innenstadt. 2022 hat zum Beispiel das Augsburger Team des Student Welcome and Orientation Project (SWOP-Team), die LEI der Hochschule Augsburg, diese Gelegenheit genutzt, um Passantinnen und Passanten über Auslandsaufenthaltsmöglichkeiten zu informieren und mit ihnen über Themen rund um Europa ins Gespräch zu kommen.

Das Angebot an den ErasmusDays ist noch vielfältiger. 2021 organisierte die LEI Erasmus Münster e. V. beispielsweise eine Flaggenparade durch die Stadt. Gemeinsam mit den Erasmus-Studierenden sind sie zweieinhalb Stunden mit Musik und kleinen Tanzaktionen durch Münster gezogen, haben dabei Flagge gezeigt und die selbst gestalteten Plakate präsentiert. Ziel der LEI war, Erasmus+ noch bekannter zu machen und gleichzeitig für Weltoffenheit und Akzeptanz in Münster einzustehen.

Die Wirkung in die Gesellschaft: Europa erlebbar machen

Über Europa sprechen und zur gleichen Zeit erlebbar machen, ist das Ziel von «Europa macht Schule». In konkreten Schulprojekten zeigt sich immer wieder, wie überrascht alle Beteiligten sind: So unterschiedlich ticken wir alle gar nicht, und manche kulturelle Themen aus vermeintlich fremden Ländern sind enger mit der eigenen Kultur verflochten, als man denkt. Aber auch in der Politik gibt es nicht selten mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede: Oft treiben junge Menschen weltweit die gleichen Themen um, was man zuletzt an der Klimabewegung gesehen hat, aber ebenfalls der Krieg in der Ukraine bewegt viele. Dieser war zum Beispiel im Programmjahr 2021/22 Thema in der 10. Klasse einer Realschule: Eine belgische Studierende wollte in ihrem Projekt eigentlich den Ersten Weltkrieg in Belgien behandeln – während der Durchführung des Projekts wandelte sich die Situation in Europa jedoch dramatisch. Die Schülerinnen und Schüler lernten durch das EmS-Projekt auf interaktive Weise, sich kritisch mit den Geschehnissen auseinanderzusetzen und verschiedene Onlinemedien richtig zu bedienen beziehungsweise sich wiederum damit zu beschäftigen.

Wie wertvoll die internationalen Studierenden ihr Engagement im Rahmen des kleinen Schulprojekts betrachten, zeigen die jährlichen Evaluationen. Im Programmjahr 2021/22 bewerteten die teilnehmenden internationalen Studierenden ihre mit dem EmS-Projekt gemachten Erfahrungen (wie auch schon in den vorangegangenen Jahren) sehr positiv. So stimmten 89 Prozent der internationalen Studierenden der Aussage zu, dass die Teilnahme am Programm ihren Aufenthalt in Deutschland bereichert habe. 81 Prozent gaben an, dass sie durch ihr Projekt Deutschland näher kennengelernt hätten, und 76 Prozent bejahten die Aussage, durch ihr Projekt mehr Zugang zu Deutschen gefunden zu haben. Zudem konnten 86 Prozent der Studierenden ihre pädagogischen Fähigkeiten verbessern.

Und auch die Schülerinnen und Schüler zeigen große Begeisterung, wenn sie in ihrem Unterricht internationalen Besuch begrüßen dürfen: Im Programmjahr 2021/22 stimmten 97 Prozent der Aussage zu, dass ihnen das Projekt (sehr) viel Spaß bereitet habe; 94 Prozent würden gerne ein weiteres Projekt durchführen; und – was besonders die International Offices freuen dürfte – 69 Prozent gaben an, dass sie jetzt gerne auch selbst mal ins Ausland gehen würden.

Demokratische Teilhabe und studentisches Engagement – ein weites Feld mit zahlreichen Angeboten

Das Erasmus+ Programm im Hochschulbereich wirkt auf unterschiedlichen Ebenen. Die einzelnen Aktionen ergänzen sich in ihrer Wirkung gegenseitig und tragen so zur Stärkung der Teilhabe am demokratischen Leben bei. Neben der Mobilität von Studierenden sowie Lehrkräften und den Kooperationsprojekten im Rahmen von Erasmus+ bieten die verschiedenen studentischen Initiativen eine gute Möglichkeit, die transversale Programmpriorität «demokratische Teilhabe» zu fördern. Die NA DAAD lädt alle Hochschulen dazu ein, die genannten Angebote des studentischen Engagements zu nutzen und so die demokratische Teilhabe zu fördern. 

Kontakt:
Martina Blindert
EU05 – Studentisches Engagement für Europa
Autorin: Martina Blindert, NA DAAD