Transversale Erasmus+ Prioritäten als Treiber strategischer Entwicklungen

Das Beispiel der Hochschule Darmstadt
Lesezeit: 7 min

Das Erasmus+ Programm im Hochschulbereich verfolgt das übergeordnete Ziel, die internationalen Kompetenzen, die persönliche Entwicklung und die Beschäftigungsfähigkeit von Studierenden zu stärken. In der Programmgeneration 2021–2027 wird darüber hinaus ein besonderer Fokus auf 4 horizontale Prioritäten des gesellschaftlichen Wandels gelegt: Inklusion und Vielfalt, Umwelt und Klimaschutz, digitaler Wandel und Teilhabe am demokratischen Leben. Wie wirken diese transversalen Themen als Treiber strategischer Maßnahmen an Hochschulen?

Die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union mit den Fähigkeiten, dem Wissen und den Erfahrungen auszustatten, um die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen unserer Gesellschaft bewältigen zu können – darauf zielt das Erasmus+ Programm ab. Globaler Klimawandel und nachhaltige Entwicklung, Digitalisierung, soziale Inklusion sowie demokratische Partizipation sind zentrale Themen, die in der Hochschulbildung berücksichtigt werden. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, spielen die transversalen Themen eine zunehmend wichtige Rolle.

Hochschulen im Wandel der Zeit

Hochschulen stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die weit über die traditionelle Wissensgenerierung und -vermittlung hinausgehen. Die horizontalen Prioritäten des Erasmus+ Programms haben hierbei die Funktion eines Katalysators für Innovationen und strategische Maßnahmen. Erasmus+ Projekte 

  • im Bereich «Umwelt und Klimaschutz» dienen beispielsweise dazu, eine nachhaltige Campus-Infrastruktur zu entwickeln oder Bildung für nachhaltige Entwicklung in Lehrpläne zu integrieren;
  • zur Förderung der Teilhabe am demokratischen Leben unterstützen kritisches Denken und stärken das Demokratiebewusstsein von Studierenden;
  • zu digitalem Wandel leisten einen Beitrag zur Anpassung von Lehrmethoden und der Förderung digitaler Kompetenzen von Studierenden und Lehrenden; 
  • im Bereich «Inklusion und Vielfalt» befördern schließlich die Schaffung von barrierefreien Lernumgebungen und die Integration benachteiligter Gruppen.

Strategische Maßnahmen in der Erasmus+ Projektförderung

Dabei unterscheiden sich die Erasmus+ Projekte in Bezug auf die Zielsetzung und die langfristige Strategie. Eine der ambitioniertesten Förderlinien sind die Europäischen Hochschulen, mit denen die Stärken und die Vielfalt europäischer Forschung und Lehre in neuen Strukturen gebündelt werden sollen, um den Herausforderungen, mit denen Europa konfrontiert ist, zu begegnen. 

Um die transnationale Zusammenarbeit dieser Hochschuleinrichtungen noch schneller auf ein noch höheres Niveau zu heben, fördert die Europäische Kommission seit Anfang 2023 europaweit 10 Erasmus+ Pilotprojekte. Bei 6 der ausgewählten Projekte geht es darum, ein Gütesiegel für gemeinsame europäische Hochschulabschlüsse zu erproben (European Degree Label). In den anderen 4 Projekten wird ein potenzieller europäischer Rechtsstatus für Europäische Hochschulallianzen ausgelotet (European Legal Status). Die Pilotprojekte dienen der Umsetzung der Europäischen Hochschulstrategie und gelten als Meilensteine zur Verwirklichung eines Europäischen Bildungsraums.

Transversale Themen als Katalysator für Innovation

Eine Hochschule, die das Potenzial der transversalen Themen als Treiber strategischer Maßnahmen nutzt, ist die Hochschule Darmstadt. Mit ihren (seit der zweiten Förderphase) 8 Partneruniversitäten im Rahmen der Europäischen Hochschulallianz «European University of Technology» (EUt+) möchte sie langfristig zu einer eigenständigen europäischen Hochschule mit Standorten in ganz Europa verschmelzen. Ziel der Allianz ist es, als eine der ersten technologieorientierten europäischen Universitäten einen Beitrag zur weiteren Integration Europas zu leisten. Ein besonderer Fokus liegt auf Fragen zur Nachhaltigkeit, die in einem zukünftigen EUt+ Green Office koordiniert werden. Darüber hinaus ist die Hochschule Darmstadt mit dem Projekt zum European Degree Label «JEDI – Joint European Degree label in engineering – Toward a European framework for engineering education» und dem Projekt zum European Legal Status «STYX – EUt+ Status and structure experience» in gleich 2 der 10 ausgewählten Erasmus+ Pilotprojekte eingebunden. 

Ausblick: Transversale Themen als Wegbereiter für eine zukunftsorientierte Bildung

Die Hochschule Darmstadt und ihre Beteiligung an der Europäischen Hochschulallianz EUt+ (siehe das Interview mit Professor Dr. Steinmetz) ist ein Beispiel guter Praxis dafür, wie transversale Themen strategische Maßnahmen an Hochschulen antreiben. Indem sie diese übergreifenden Themen in den Mittelpunkt ihrer Bildungs- und Forschungsstrategien stellt, zeigt die Hochschule Darmstadt, wie Hochschulen eine aktive Rolle bei der Bewältigung globaler Herausforderungen spielen können. Durch ihre Mitgliedschaft in der europäischen Allianz EUt+ hat die Hochschule eine Plattform gefunden, um ihre Vision einer zukunftsorientierten Bildung auf internationaler Ebene zu verwirklichen. 

Kontakt:
Kathrin Herres
EU04 – Politikunterstützung

Partner der European University of Technology

  • Hochschule Darmstadt University of Applied Sciences (Deutschland) 
  • Rīgas Tehniskā universitāte (Lettland) 
  • Technological University Dublin (Irland) 
  • Технически университет София (Technische Universität Sofia) (Bulgarien)
  • Τεχνολογικό Πανεπιστήμιο Κύπρου (Technische Universität Zypern) (Zypern) 
  • Universidad Politécnica de Cartagena (Spanien)
  •  Universitatea Tehnică din Cluj-Napoca (Rumänien) 
  •  Université de technologie de Troyes (Frankreich)
  • Università degli studi di Cassino e del Lazio Meridionale (Italien – seit November 2023)

Weitere Informationen

HS Darmstadt

Informationen zu den Europäischen Hochschulen auf der Webseite der NA DAAD

Informationen zu den Erasmus+ Pilotprojekten zum European Degree Label und zum European Legal Status auf der Webseite der NA DAAD

Interview mit Professor Dr. Arnd Steinmetz

In einem Gespräch mit der NA DAAD gibt der Präsident der Hochschule Darmstadt (h_da), Professor Dr. Arnd Steinmetz, Einblicke in die Beteiligung an der Europäischen Hochschulallianz EUt+ und den damit verbundenen strategischen Mehrwert für die Hochschule.

Porträtaufnahme von Professor Dr. Arnd Steinmetz, Präsident der Hochschule Darmstadt
© Gregor Schuster/Hochschule Darmstadt

Professor Dr. Arnd Steinmetz ist Präsident der Hochschule Darmstadt, die seit 2020 zur Allianz der European University of Technology (EUt+) gehört

Aus welchen Gründen beteiligt sich die Hochschule Darmstadt an der Europäischen Hochschulallianz EUt+? Welche Vision wird damit verfolgt?

Professor Steinmetz: Als leistungsstarke Hochschule für Angewandte Wissenschaften identifiziert die Hochschule Darmstadt gesellschaftliche Herausforderungen und entwickelt praxisnahe Lösungen. Unser Anspruch, einen Impact in der Gesellschaft zu leisten, deckt sich mit dem Ziel der European University of Technology, eine neue Generation europäischer Bürgerinnen und Bürger auszubilden, um damit einen Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft zu leisten. 

Zur Bewältigung globaler Herausforderungen benötigen wir wertebasierte technologische Lösungen, die sich an den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt orientieren («Think Human First – European Values Empowering Technology»). Durch EUt+ können wir voneinander lernen, gemeinsam ein verantwortungsvolles Technikverständnis entwickeln und diesem als europäische Hochschule global eine Stimme geben. 

Wie wurde die Zusammenarbeit angebahnt?

Die Hochschule hat eine Vorreiterrolle unter den deutschen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (unter anderem die Erzielung des Promotionsrechts, die Systemakkreditierung, beim Wissens- und Technologietransfer) und möchte diese behalten und mit der Europäischen Hochschulinitiative weiter ausbauen. Zudem haben wir mit EUt+ die einmalige Chance, den Europäischen Bildungsraum signifikant zu gestalten, was die treibende Motivation für viele Mitarbeitende darstellt. Die Partner der Allianz betrachten EUt+ nicht als ein Projekt, sondern als eine strategische Ausrichtung, die den Umbau der Hochschulen hin zu einer europäischen Institution anstrebt. Unser Ziel ist demnach ein Merger. So ist es auch in den Zielvereinbarungen der h_da mit dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst verankert. Dies umfasst einerseits die Schaffung von Governance-Strukturen innerhalb der EUt+. Andererseits werden hochschulintern sämtliche Gremien, Status- und Interessengruppen in diesen Entwicklungsprozess eingebunden. 

Wie arbeitet die Hochschule Darmstadt mit ihren Partneruniversitäten innerhalb der Europäischen Hochschulallianz EUt+ zusammen und welchen Mehrwert bietet die internationale Kooperation zur Erreichung übergeordneter Ziele der Hochschule?

Die erste Förderphase von EUt+ ist von einer Workpackage-Struktur geprägt. Innerhalb dieser finden regelmäßige Arbeits- und Präsenztreffen statt. Sie dienen nicht nur der Vertiefung von Ergebnissen und dem Austausch über nationalspezifische Gegebenheiten, sondern dem persönlichen Kennenlernen und der Schaffung von Vertrauen, die für unsere gemeinsamen Ziele und die Zusammenarbeit wichtig sind. Wir haben wöchentliche Videokonferenzen und monatliche persönliche Treffen vor Ort in einem der Standorte in den AGs und den Präsidien. Diese haben sich als entscheidend erwiesen, um ein reibungsloses Zusammenwirken zu fördern und ein umfassendes gemeinsames Verständnis für EUt+ zu entwickeln. 

Die Zugehörigkeit zur EUt+ bietet uns von Anfang an einen Mehrwert und trägt zur Profilbildung und Ausrichtung an unseren Megathemen (Mobilität, Nachhaltige Entwicklung, Digitalisierung und Gesellschaft) bei. Auch ist unsere Sichtbarkeit als Hochschule für Angewandte Wissenschaften deutlich gewachsen. 

Kürzlich sind Sie in die zweite Förderphase der Europäischen Hochschulinitiative gestartet, gleichzeitig setzen Sie 2 Erasmus+ Pilotprojekte zum European Degree Label und zum European Legal Status sowie viele weitere Initiativen um. Wie haben Sie das geschafft?

Es liegt an der partizipativen Arbeitsweise, bei der Mitglieder sämtlicher Partnerhochschulen die Möglichkeit hatten, Ideen einzubringen und zu präsentieren. Die Herausforderungen für das Redaktionsteam im Rahmen der Antragstellung waren deutlich größer, doch am Ende haben die herausragenden Bewertungen diese Herangehensweise bestätigt. 

An der h_da haben wir viele hochgradig EUt+-engagierte und motivierte Lehrende, Forschende, Mitarbeitende und Studierende. Die Herausforderung besteht darin, die Vision von EUt+ in die gesamte Hochschule zu tragen. Dazu führen wir derzeit spannende Diskurse in allen Gremien und Fachbereichen. 

Da wir als EUt+ als einzige Allianz eine institutionelle Lösung anstreben, war die Beteiligung an der Bestimmung der Rechtsform für uns essenziell. Ebenso ist die Klärung der Struktur echter europäischer Studiengänge für uns als EU-Institution von wesentlicher Bedeutung. Beides haben wir in den Anträgen darstellen können.

Welche konkreten Maßnahmen und Initiativen plant die Hochschule Darmstadt im Rahmen des EUt+ Green Office, um die Nachhaltigkeit zu fördern?

Die Hochschule Darmstadt ist Gründungsmitglied des EUt+ Green Office und unterstützt maßgeblich dessen Aufbau und alle Aktivitäten. Ziel des EUt+ Green Office ist es, eine Plattform zu sein, die die EUt+ als Ganzes, aber auch einzelne Hochschulen in nachhaltiger Entwicklung unterstützt, das heißt in der Lehre, der Forschung, im Betrieb und in der Governance. Alle Hochschulpartner sind am EUt+ Green Office beteiligt und das Office erfreut sich großer Aufmerksamkeit. Konkrete Maßnahmen, die möglichst alle Partnerhochschulen interessieren, befinden sich noch in der Abstimmung. In der nächsten Förderphase hat die h_da die Leitung der Taskforce zur Institutionalisierung des EUt+ Green Office.

Wie wird das EUt+ Green Office dazu beitragen, die Nachhaltigkeit an der Hochschule Darmstadt und in der Europäischen Hochschulallianz zu fördern?

Das EUt+ Green Office soll zukünftig die EUt+ Governance Boards (Steering Committee, Secretary General) und natürlich die einzelnen Arbeitspakete zu Fragen der Nachhaltigkeit beraten und unterstützen. Zudem ermöglicht das Green Office als Plattform aller Hochschulpartner den direkten Austausch zu spezifischen Nachhaltigkeitsfragestellungen einzelner Hochschulen, die sich so gegenseitig unterstützen können. 

Das EUt+ Green Office besteht aus Mitarbeitenden aus unterschiedlichsten Bereichen der Hochschulen, die sich mit Nachhaltigkeit befassen. Derzeit steht unter anderem die Entwicklung eines gemeinsamen Nachhaltigkeitsverständnisses für das EUt+ Green Office (Memorandum of Understanding) auf der Tagesordnung.

 

Die Fragen stellte Kathrin Herres.

Karte der EUt+, die alle Partneruniversitäten und deren Sitz zeigt. Europa ist dunkelblau dargestellt und die Universitäten sind mit gelben Pluszeichen und den Logos der Unis in weiß/negativ abgebildet.

An der Hochschule Darmstadt waren im Wintersemester 2022/2023 15.474 Studierende eingeschrieben. Von den Studierenden insgesamt waren 6 Prozent Frauen und 16 Prozent internationaler Herkunft.

Kathrin Herres, NA DAAD EU04 – Politikunterstützung